In den fast 45 Jahren seit der letzten Novelle des Bundesjagdgesetzes (BJG) hat sich viel Reformbedarf aufgestaut. Diesen Stau aufzulösen und das Jagdwesen zu modernisieren verspricht der
Koalitionsvertrag der die Bundesregierung tragenden Koalitionsparteien.
Der jetzt im Kabinett verabschiedete Novellierungsentwurf erfüllt dieses Versprechen allenfalls in einigen Punkten.
Zu begrüßen ist die Vereinheitlichung und Modernisierung der Jägerausbildung und Jägerprüfung, wenn sie nicht zu einer unnötigen Aufblähung des Lernstoffes führt. Auch die Zulassung von
Nachtzieltechnik und Infrarotaufhellern bei der Bejagung des Schwarzwildes, ein Schritt der unter dem Eindruck drohender Seuchenzüge der Afrikanischen Schweinepest nötig und möglich geworden ist,
bringt endlich Klarheit und Rechtssicherheit auf einem unübersichtlich gewordenen Gebiet.
Bei der eigentlichen Zukunftsaufgabe der Jagd aber versagt der Reformentwurf.
Der Bundesgesetzgeber scheut sich, bei der Wald-Wild-Frage die klare Aussage zu treffen, dass der Schutz und die Entwicklung unserer Waldökosysteme eindeutigen Vorrang vor jagdlichen
Partikularinteressen haben muss. Es geht nicht, wie Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner bei der Vorstellung des Entwurfs wieder einmal sagte, um eine „Gleichberechtigung“ von Wald und Wild,
womit ja nur eine Gleichberechtigung von forstlich-waldökologischen und jagdlichen Interessen gemeint sein kann, weil sonst die Aussage überhaupt keinen Sinn ergibt.
Im neuen BJG soll festgeschrieben werden, dass die Hege die Verjüngung des Waldes im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglichen soll. Das geht immerhin über erste Entwürfe hinaus, in denen nur
von „Naturverjüngung“ die Rede war, was Pflanzung und Saat ausgeschlossen hätte. Wenn die Verjüngung aber nicht gelingt, hat das keinerlei Konsequenzen, die Ministerin betonte zudem mehrfach, dass
Zäune aus Fördermitteln subventioniert werden sollen.
Richtig ist auch die Abschaffung der behördlichen Abschussplanung bei Rehwild. Den Handelnden vor Ort, also Grundeigentümern und Jagdpächtern, soll mehr Eigenverantwortung übertragen werden. Sie
sollen einen „Abschusskorridor“ zwischen einem Mindest- und einem Höchstabschuss vereinbaren, und das „soll“ auf Grundlage eines Vegetationsgutachtens geschehen, das auch Aussagen zum Lebensraum des
Rehwildes enthalten „soll“. Auf das Lebensraumgutachten könne aber auch verzichtet werden, wenn beide Vertragspartner das wollen.
„Diese wirklichkeitsfremde Idee, eingepackt in windelweiche Gesetzesformulierungen mit der Wiedereinführung einer restriktiven Deckelung, wird nur in Einzelfällen zu konsequent walddienlichem
Jagen führen“, fasst Elisabeth Emmert, Vorsitzende des Ökologischen Jagdverbandes (ÖJV) diesen völlig missglückten Versuch zusammen, die Jagd neu zu orientieren und gleichzeitig die
Traditionsjäger-Lobby des Deutschen Jagdverbandes (DJV) zu besänftigen. Die Bejagung des Rehwildes ließe sich leicht regeln. Mehr als einen von behördlichen, revierweisen Vegetationsgutachten
gestützten Mindestabschuss braucht es nicht, um das Ziel waldfreundlicher Jagd zu erreichen: Vitale Wälder mit angepassten gesunden Wildbeständen.
Gesunde Wildbestände liefern auch ein gesundes Lebensmittel, wenn es nicht mit den Resten von Bleigeschossen kontaminiert ist.
Praxis und Wissenschaft zeigen längst, dass ein sofortiges Verbot von Büchsengeschossen, die elementares Blei enthalten, ohne Einbußen bei Tötungswirkung und Sicherheit möglich wäre. Es ist
deshalb sogar geboten.
Aber auch dazu fehlt der Bundesregierung der Mut. Die geplanten Regelungen zur Bleiminimierung sind umständlich und ein ziemlich teures weiteres Zugeständnis an die Traditionalisten.
Elisabeth Emmert: „Die Chance, dass der Bund auch ohne eigentliche Regelungskompetenz einen fruchtbaren Impuls zur Modernisierung der Jagd in Deutschland gibt, ist mit diesem Novellierungsentwurf
vertan.
Zuversichtlich stimmt, dass man in vielen Bundesländern bei der Jagdwende schon weiter ist, als der Bund zu gehen bereit ist.“
gez.
Elisabeth Emmert
ÖJV-Bundesvorsitzende